TAG 1    Montag, 11. März 2019

Heute Morgen bin ich normal ins Büro gefahren. Ich habe nicht daran gedacht, dass ich heute mit meinem Selbsttest beginne.

Auf dem Tisch neben dem Kopierer lag noch eine halbe Tüte Kekse.

Diese hatte ich am Freitag vor meinem Urlaub ausgegeben. Warum triggert mich morgens um 7.15 Uhr eine Tüte Kekse an? Ich habe doch vor einer Stunde gefrühstückt. Und jetzt habe ich schon wieder Hunger!?

Irgendwas stimmt da doch nicht und ich versuche zu erforschen woran das liegen könnte. Eine Woche vorher hätte ich bestimmt einen Keks genascht. Weil ein Keks ja nichts macht. Und der Zucker hätte meinem Wohlbefinden gut getan. Ich hätte mich gut gefühlt. Und dann hätte ich einen zweiten Keks genommen und dann eine ganze Hand voll. Die hätte satt gemacht, für eine kurze Zeit. Und dann hätte ich wieder ein schlechtes Gewissen bekommen. Weil ich wieder so maßlos war.

Ich habe so einen inneren Kalorienzähler. Mit dem rechne ich aus, was ich so ungefähr zu mir nehme. Und da wäre ich morgens um 10 Uhr schon wieder auf über 1000 kcal gekommen. Das ist die körperliche Seite der Medaille. Ich glaube, dass ich einfach nicht mehr nachdenke, wann ich wieviel nasche. Ich greife zu und gut ist. Das ist zumindest mal Gewohnheit. Und ein gewisser Automatismus. Gedankenlos naschen. Nicht wirklich der Brüller.

Ich habe die Kekse versteckt. Da ich sehr viel zu tun hatte, traten diese dann auch in den Hintergrund. Heute Nachmittag gegen 15 Uhr, mein Blutzuckerspiegel war wohl gesunken, bekam ich plötzlich Heißhunger auf Süßes. Und ich wusste ja wo die Kekse sind. Ich wurde unruhig und dachte nur noch an diese blöde Tüte. Wie damals beim Alkohol. Jetzt gibt es nur zwei Möglichkeiten für mich: Entweder ich greife zu oder ich suche mir eine Alternative.

Ich habe stattdessen eine rote Paprika gegessen. Das war für heute DIE Alternative zu den Keksen. Das Verlangen nach Süßem war weg.

Fazit: Der erste Tag war gut, die Versuchung war da, ich bin aber standhaft geblieben.

Bis morgen

Bernd

 

 

 

TAG 2             Dienstag, 12. März 2019

Juhu……die Tüte mit den Keksen ist weg. Ein Kollege hat sich erbarmt und sie komplett leer gegessen.

Mich beschäftigt der Gedanke für gestern weiter. Warum triggern mich die Süßigkeiten so dermaßen an. Das muss doch einen Grund haben. Was ich merke ist, dass das Essen von Süßigkeiten sehr viel damit zu tun hat, wie voll mein Tag ist und wieviel ich zu tun habe.

Schlimm wird es wenn ich Leerlauf habe oder mir langweilig ist. Dann bekomme ich, aus welchen Gründen auch immer, ein starkes Hungergefühl auf Süßes. Warum nicht auf Obst oder Gemüse oder von mir aus auch auf Fritten oder so?

Meine Antwort ist, dass mir Obst, Gemüse oder Fritten keinen Kick geben. Sie wirken nicht so wie Süßigkeiten im Körper und vor allen Dingen nicht im Kopf. Ich werde durch den Genuss zufrieden und glücklich. Wie bei einer Droge…oder wie früher beim Alkohol.

Auch heute gab es wieder die tägliche Versuchung.

Am Abend war ich auf einer Fortbildung. Der Tisch voll mit Süßigkeiten, Keksen, Bounty, Mars, Snickers (alles diese kleinen Dinger). Und eine Schüssel stand vor mir. Ohne nachzudenken war der erste Griff in die Schüssel. Kurz vor dem Zupacken kam dann meine innere Stimme mit der Frage, was ich hier um Himmels Willen mache. Ich will das Zeug nicht. Ich habe mich erwischt und habe für einen Moment sehr schlechte Laune. Ich habe mich ertappt. Ich habe die Schüssel weggestellt. Weg mit der Versuchung, weg mit dem Teufelszeug. Weiche von mir. Es ist mir sehr schwer gefallen.

Ich habe stattdessen fast 1 Liter Wasser ohne Kohlensäure getrunken.

Fazit: Es ist nicht nur ein Kampf gegen die Süßigkeiten, sondern auch ein Kampf gegen mich selbst.

Bis morgen

Euer Bernd

 

 

 

TAG 3             Mittwoch, 13. März 2019

Der Kampf gegen mich selbst und gegen die Süßigkeiten. Einen Kampf kann ich verlieren.

Vor dem Alkohol habe ich damals kapituliert und brauchte ihn nicht mehr zu trinken. Alkohol braucht kein Mensch, Süßigkeiten im Prinzip auch nicht.

Wenn ich den Vergleich mal ziehe gibt es sehr viele Gemeinsamkeiten zwischen dem Alkohol und dem Süßen.

Es gibt mir den Kick, ich fühle mich gut danach, bin zufrieden und glücklich und bekomme bei übermäßigem Verzehr ein schlechtes Gewissen.

Es ist schon mal so ätzend. Ich rede mir ein, ich schaffe es ohne die Süßigkeiten, aber in bestimmten Augenblicken oder Situationen, meist wenn es mir schlecht geht oder ich Langeweile habe, dann greife ich wieder zu, ohne über Alternativen nachzudenken.

Das Problem ist der Kopf. Meine Verhaltensmuster sind so festgefahren, dass ich unbewusst immer wieder das Falsche mache und zu den Süßigkeiten greife. Weil es so einfach ist und es sich in der Vergangenheit bewährt hat.

Fazit: Raus aus den bewährten Mustern, rein in eine neue Denkweise. Liest sich einfach, ist es aber nicht. Mehr dazu in den nächsten Tagen.

Bis morgen

Euer Bernd

 

 

 

TAG 4 Donnerstag, 14. März 2019

Heute war ich im Tumorzentrum in Essen zur Nachuntersuchung. Alles war ok.

Bis vor vier Wochen bin ich nach der Untersuchung IMMER am Süßigkeitenautomaten vorbeigegangen und habe mir was gekauft

Auch das war schon recht eigenartig, wenn ich mir das heute überlege. Nach JEDEM Tag im Tumorzentrum, egal ob während der Chemotherapie oder bei den Nachsorgeuntersuchungen, hatte ich verstärkt Hunger auf Süßes. Ich habe mir immer eingeredet, dass in der Chemotherapie oder in den Infusionen ein Mittel drin ist, was den Appetit auf Süßes beschleunigt.

Heute glaube ich, dass es Frustessen war. Eine Chemotherapie ist nicht schön und ich benötigte etwas, was den Frust darauf kompensierte. Da hatte ich zumindest für paar „zufriedene“ Stunden.

Warum greife ich zu Süßem wenn ich Frust habe und gehe nicht Holzhacken oder so?

Süßigkeiten sind leicht verfügbar und es ist nicht anstrengend sie zu essen. Ich muss mich nicht großartig dabei bewegen. 

Und daher greife ich dann auch wieder zu, wenn es mir mental schlecht geht. 

Heute bin ich längst den Automaten gegangen, ohne was zu kaufen. Ist das vielleicht schon mal ein Anfang?

Bis morgen

Bernd

 

 

TAG 5 Freitag 15.März.2019

Wochenende Teil 1. Ich komme nach Hause, setze mich ins Wohnzimmer und bekomme Hunger auf Süßes. Ich habe das heute zu ersten Mal bewusst wahrgenommen. Ich setze mich und mich hungert es nach Schokolade und Keksen. Das passt doch nun wirklich nicht zusammen. Oder doch? Es kann sein, dass ich mich in ähnlichen Situationen immer belohnt habe. Belohnt für die Woche Arbeit. Erleichterung nach der Woche Arbeit. Freude auf das arbeitsfreie Wochenende. Toll. ABER WARUM BRAUCHE ICH DAFÜR SÜSSES???? Ich könnte doch einfach ein Buch lesen oder andere schöne Dinge tun. NEIN. Ich denke an Süßes.

Nach den ersten fünf Tagen merke ich schon, dass mein Süßigkeitenkonsum immer mit irgendetwas zusammenhängt oder von irgendetwas abhängig ist. 

Heute Nachmittag war ich mit einem Bekannten in der Eisdiele. Ich komme rein und der Duft von Waffeln und Kaffee schlägt mir entgegen. Ich erlebe es heute sehr intensiv und fühle und schmecke auf der Zunge und im Kopf, dass Kaffee und Süßes für mich untrennbar miteinander verbunden sind. Welch ein Genuss für denjenigen, der es geniessen kann. Ich habe mir einen Milchkaffee bestellt. Da liegen immer diese kleinen kostenlose Kekse neben. Verführung pur. Ich esse ihn nicht. Es kostete Überwindung, weil ich sonst solch einen Keks nehme, die Packung aufreisse und ihn esse. Nur so, weil der da ist und dazugehört. Aber den Keks auf der Zunge zu spüren und ihn vielleicht zu geniessen……Fehlanzeige. Aufreissen, essen und vergessen. Weil der dazugehört.

Fazit: Bei mir kommt es immer auf die Situation an wann ich wieviel esse und Süßes zu geniessen ist für mich fast unmöglich. Ich bin erst am Anfang meiner Analyse. Da wird noch echt spannend, nicht nur für Euch

Bis morgen

Euer Bernd

 

 

TAG 6 Samstag 16.März 2019

Wochenende Teil 2. Der erste Samstag in meinem Selbsttest.

Ich hatte gestern geschrieben, dass mein Süßigkeitenkonsum situations- oder ortsabhängig äußert.

Heute Morgen kam dann auch sehr schnell nach dem Frühstück der Appetit auf was Süßes. Meine Gedanken gingen dahin, dass ich selber zu mir sagte, dass ich nun 5 Tage nichts Süßes gegessen habe und dann es doch nichts machen würde, wenn ich heute einmal naschen würde. Merkt ja keiner. DOCH, ICH!!!! Hör mal zu Bernd, 5 Tage sind  eine lange Zeit, genauso wie vor 14 Jahren, als ich 5 Tage trocken war. Da war ich stolz drauf. NEIN, DU MACHST DAS JETZT NICHT!! Der innere Kampf lief auf Hochtouren. Ich bin der Versuchung nicht erlegen, war aber kurz davor.

Heute Nachmittag die nächste Situation. Ich habe eine gute Freundin besucht. Wenn ich sonst zu ihr gekommen bin, gab es immer selbstgebackene Kekse oder selbstgebackenen Kuchen.

Ich habe ihr im Vorfeld gesagt, dass ich keine Süßigkeiten esse und einen Selbsttest mache. Und aus diesem Grunde hat sie dann was Herzhaftes gemacht, was wirklich sehr lecker war.

Ich habe den Besuch bei ihr IMMER mit den „Genuss“ von Kuchen und Keksen verbunden, dieses mal war es aber halt nicht so. Es fehlte was. Es fehlte das, was mich in dem Moment glücklich gestimmt hätte, nämlich das Süße bzw. der Zucker. Ich vergleiche es mal mit etwas. Und ich habe noch etwas festgestellt. Ich esse von den herzhaften Sachen weniger. Zucker macht bei mir immer Lust auf mehr. Das Herzhafte nicht. Das habe ich in einer „normalen“ Menge gegessen.

Fazit: Den inneren Kampf werde ich wohl noch öfters führen und von Herzhaftem esse ich nicht so viel. Ich bin trotzdem stolz standhaft geblieben zu sein.

Bis morgen

Euer Bernd

LG Bernd

 

 

TAG 7 Sonntag 17. März 2019

Wochenende Teil 3. Es ist Sonntagmorgen. Es ist ruhig und ich habe Hunger, auch Hunger auf Süßes.

Jetzt habe ich doch schon 6 Tage nichts Süßes essen brauchen und dachte, dass auch die Gedanken daran weniger werden. Aber weit gefehlt. Wenn ich das mal wieder mit meiner Alkoholkrankheit vergleiche und an die Zeit denke, wo ich ganz frisch trocken war, war es genauso. Der Gedanke an Alkohol ließ auch erst nach Wochen nach. Da komme ich bestimmt mit meinem Zeitraum bis zum 30. April nicht hin.

Den Alkohol brauche ich nicht mehr, aber das Süße…….es ist doch so schön, es beruhigt, es gibt mir einen Kick, ich fühle mich gut, es befriedigt mich einfach. Und das will ich jetzt nicht mehr, oder brauche ich es nicht mehr. Ich nutze das Wort „brauche“ ganz bewusst, weil ich die Süßigkeiten ja auch in einer gewissen Art und Weise missbräuchlich eingesetzt habe.  Ich nutze es, um mich besser zu fühlen etc. Den Alkohol hatte ich auch missbraucht mit der Konsequenz, dass ich abhängig wurde. Geht das eigentlich bei Süßigkeiten auch? Kann ich ein Schokoladen-Junkie werden? Bei mir sieht es fast so aus.

Es gibt bei mir so viele Parallelen zu meiner Alkoholsucht. Das ist sehr auffällig, aber für mich auch irgendwie beängstigend. Ist es eine späte Suchtverlagerung (ich bin fast 14 Jahre trocken)? Oder ist es einfach nur ein „Luxusproblem“? Fragen über Fragen, die ich versuche in den nächsten Wochen zu beantworten.

Deswegen mache ich diesen Selbsttest. Das wird sicherlich auch ein wenig (viel) Kraft kosten.

Bis morgen

Euer Bernd

LG Bernd